Nach nur wenigen Jahren wurde das Standardwerk «Inklusive Pädagogik und Didaktik» grundlegend überarbeitet. Hat sich dieser Aufwand gelohnt? Die Antwort fällt klar aus: Ja, auf jeden Fall! Dieses Buch zeigt fachlich fundiert praxisorientierte Wege auf, wie guter Unterricht gelingen kann – für alle Schülerinnen und Schüler, ob mit ohne Beeinträchtigungen.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil widmet sich zentralen Grundlagen wie ICF, multiprofessionelle Zusammenarbeit und gemeinsame Förderplanung. Wenn vielleicht andernorts Grundlagenkapitel «grosszügig überblättert» werden, dürfte das hier weniger geschehen: Wer sich bezüglich ICF, Zusammenarbeit und Förderplanung noch nicht ganz sattelfest fühlt, kann sich hier einen verlässlichen Boden schaffen.
Im zweiten Teil geht es um die didaktischen Möglichkeiten im Unterricht für alle. Im Vergleich zur ersten Auflage erhält die Leserschaft nochmals konkretere Umsetzungshinweise. Beispielsweise wird aufgezeigt, wie ein Autismus-sensibler Unterricht gestaltet oder wie die Beziehungsgestaltung im inklusiven Unterricht wirksam gestärkt werden kann. Ein spannendes Interview mit dem Sonderpädagogen und Vollblut-Didaktiker Dieter Rüttimann rundet den zweiten Teil ab.
Besonders raffiniert ist die Struktur des dritten Teils: Sie orientiert sich an den Aktivitäts- und Partizipationsbereichen der ICF. Weil die Förderschwerpunkte bei Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen oftmals entlang dieser Bereiche fokussiert werden, lassen sich in den Unterkapiteln zielgerichtet praxisorientierte Anregungen für die Förderung finden. Weil sämtliche unterrichtsrelevanten ICF-Aktivitätsbereiche abgedeckt sind, öffnet sich ein Fächer von didaktischen Umsetzungsideen für eine sehr heterogene Schülerschaft. Das ist dann eben gelebte «inklusive Didaktik» – und damit löst dieses Buch sein im Titel formuliertes Versprechen ein. Dieses Standardwerk empfiehlt sich einerseits als Studienbuch für angehende Lehrpersonen und Fachpersonen in Schulischer Heilpädagogik. Andererseits ist es durch seinen modularen Aufbau sehr geeignet für erfahrene Lehrpersonen sowie Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, welche sich praxisorientiert anregen lassen möchten, um ihren Unterricht für eine noch heterogenere Schülerschaft auszurichten.
André Kunz, Reto Luder, Cornelia Müller Bösch (Hrsg.) (2021). Inklusive Pädagogik und Didaktik. Bern: hep Verlag (vollständig überarbeitete Neuauflage).
[Rezension von Peter Lienhard, HfH, erschienen in der SZH-Zeitschrift 12/2021]